Backward Planning: Erst das Ziel, dann der Weg – zum perfekten Zahnersatz
Die Implantologie zählt zu denjenigen Bereichen der Zahnmedizin, in denen die Entwicklung besonders rasant voranschreitet: Innovative Behandlungskonzepte mit neuen Technologien ermöglichen es den Praxisteams, absolut ästhetische Zahnersatzlösungen zu kreieren. Eines dieser innovativen Behandlungskonzepte ist das sogenannte „Backward-Planning“. Das klingt zwar rückwärtsgewandt, ist aber enorm fortschrittlich – denn bei der „Rückwärtsplanung“ wird das gewünschte Endergebnis als Ausgangspunkt festgelegt (und nicht nur als Zielvorstellung anvisiert).
Zahnarzt Dr. Dennis Hüren erklärt im Gespräch, was Backward-Planning ist, wie die Methode funktioniert und warum sie in seiner Zahnarztpraxis in Mönchengladbach längst Standard ist.
In diesem Text:
- Was ist Backward Planning?
- Backward Planning beim Zahnarzt: Medizinische Erfahrung trifft Digitaltechnologie
- Wie funktioniert Backward-Planning?
- Implantation auf der Basis von Backward Planning: Was zu beachten ist
- Vorteile von Backward Planning
- Für wen ist Backward Planning geeignet?
Was ist Backward Planning?
Frage: Herr Dr. Hüren, „Backward Planning“ klingt nach einer Methode, bei der das Pferd irgendwie von hinten aufgezäumt wird. Was hat es damit auf sich?
Dr. Hüren: Backward-Planning oder auch Rückwärtsplanung bzw. rückwärts gerichtete Planung ist ein Prothetik-Konzept in der Zahnmedizin, bei dem die Behandlung nicht vom Ist-Zustand her geplant wird, sondern vom gewünschten Endergebnis her. Man fragt sich also zuerst: Wie soll der Zahnersatz am Ende idealerweise aussehen, und wie soll er funktionieren? Und erst dann überlegt man, wie man dieses Ziel mit den Mitteln der modernen Implantologie erreicht. Tatsächlich wird das Pferd also nicht von hinten aufgezäumt, sondern richtig herum. Bei der traditionellen Methode ist das umgekehrt: Da beginnt die Zahnersatz-Planung mit dem Setzen des Implantats. Anschließend wird dann versucht, den sichtbaren Zahnersatz, der auf dem Implantat befestigt wird, möglichst gut ins Gebiss einzupassen.
Frage: Da erscheint die neue Methode ja viel sinnvoller. Warum hat man das nicht immer schon so gemacht?
Dr. Hüren: Na ja, die Grundidee des Backward Plannings ist nicht neu. Zahnärzte und Zahnärztinnen haben schon immer versucht, die Zahnersatz-Planung so vorzunehmen, dass das Endergebnis funktionell und vor allen Dingen ästhetisch ist. In der prädigitalen Ära mussten sie sich dabei aber auf analoge zweidimensionale Röntgenbilder und auf Gipsmodelle verlassen. Diese Informationsgrundlage war gelinde gesagt dürftig – entsprechend oft gab es bei der Implantatpositionierung unvorhergesehene Schwierigkeiten. Man war dann froh, wenn man das Implantat überhaupt vernünftig in die vorhandene Knochensubstanz einbringen konnte. Dass Winkel und Achsenrichtung nicht immer optimal waren, war ein Kröte, die man eben schlucken musste.
Backward Planning beim Zahnarzt: Medizinische Erfahrung trifft Digitaltechnologie
Frage: Der Durchbruch kam also mit der Digitaltechnologie?
Dr. Hüren: Ganz genau. Als die Implantatplanung digital wurde, wurde sie auch vorhersagbarer. Speziell die digitale Volumentomographie (DVT) hat zur Etablierung des Backward Plannings beigetragen. Sie ermöglicht nämlich eine präzise dreidimensionale Darstellung des Kieferknochens. In Kombination mit CAD-/CAM-Software für die die Herstellung von passenden Bohrschablonen wird dann eine sehr präzise Implantation möglich.
Frage: Und wie funktioniert Backward Planning im Detail?
Dr. Hüren: Der erste Schritt ist eine umfassende Diagnostik. Dazu gehören klinische Untersuchungen und dreidimensionale Röntgenaufnahmen. Wir nutzen 3D-Planung für Zahnimplantate, um virtuell den idealen Zahnersatz zu designen. Mit Hilfe von sogenannten „Wax-ups“, also Wachsmodellen des Zahnersatzes, wird das gewünschte Ergebnis dann greifbar gemacht. Danach folgt die präzise computergestützte Implantatplanung. Anhand dieser Daten können wir genau berechnen, wo und wie ein Implantat positioniert werden muss, damit der Zahnersatz später perfekt sitzt. Anschließend wird geprüft, ob und wie dieses Ergebnis unter den gegebenen anatomischen Bedingungen realisierbar ist.
Frage: Was heißt das genau?
Dr. Hüren: Das heißt, dass zum Beispiel geprüft wird, ob ausreichend Knochenmasse vorhanden ist. Wenn nötig, werden vorbereitende Maßnahmen wie ein Knochenaufbau in die Behandlungsplanung integriert.
Implantation auf der Basis von Backward-Planning: Was zu beachten ist
Frage: Kann es auch passieren, dass eine mittels Backward Planning konzeptionierte Zahnersatz-Lösung sich nicht wie geplant realisieren lässt?
Dr. Hüren: Jein. Backward Planning basiert ja nicht auf einer realitätsfernen Wunschvorstellung, sondern auf erhobenen Daten. Das Ganze ist ein strukturierter Prozess, der die biologischen Gegebenheiten des Patienten einbezieht. Dank Panoramaröntgen und dreidimensionaler Bildgebung wissen die Teams in den Zahnarztpraxen sehr genau, was möglich ist. Es kann aber passieren, dass beim Abgleich der virtuellen Planung mit den tatsächlichen anatomischen Gegebenheiten Unvereinbarkeiten auftreten. Dann muss man Kompromisse machen.
Frage: Wie sehen diese Kompromisse gegebenenfalls aus?
Dr. Hüren: Wenn die ideale Lösung aufgrund von anatomischen Einschränkungen nicht direkt umsetzbar ist, werden virtuell alternative Lösungen „durchgespielt“: Sind Knochenaufbaumaßnahmen wie Guided Bone Regeneration (GBR) möglich? Oder könnte die Implantat-Position leicht verändert werden, ohne dass sich das Endergebnis signifikant verschlechtert? Vielleicht kann man auch das Prothetik-Design, also das Design des Zahnersatzes, modifizieren. Irgendetwas geht immer.
Vorteile von Backward-Planning
Frage: Demnach hat Backward Planning ja ausschließlich Vorteile?
Dr. Hüren: In medizinischer Hinsicht – ja. Da es bei der Zahnersatz-Planung sowohl auf Funktionalität als auch auf ansprechende Optik ankommt, ist Backward-Planning quasi der „Gold-Standard“. Durch die präzise Datenerhebung per 3D-Visualisierung wird die ganze Behandlung sehr sicher; das Risiko von Komplikationen ist minimal. Insofern ist diese Methode auch schonender für die Patientinnen und Patienten. Und dank der klaren Zieldefinition ist auch die Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker besser. In unserer Zahnarztpraxis in Mönchengladbach setzen wir deshalb schon lange auf das Konzept.
Frage: Und Nachteile gibt es überhaupt nicht?
Dr. Hüren: Der einzige Nachteil – wenn man so will – ist, dass Backward-Planning wegen des nötigen Einsatzes von moderner DVT-Röntgentechnik etwas aufwendiger ist als die herkömmliche Methode. Das schlägt sich auch in den Kosten nieder: Rund 500 Euro kommen einmalig hinzu. Bei mehreren Implantaten oder einer Komplettsanierung relativiert sich dieser Betrag aber schnell – und selbst bei einem Einzelimplantat ist die präzisere Planung aus meiner Sicht den Aufpreis wert. Backward Planning ist also definitiv kein Luxus. In unserer Praxis können wir die DVT-Aufnahmen übrigens direkt vor Ort machen, was die Behandlung für unsere Patientinnen und Patienten deutlich komfortabler macht.
Für wen ist Backward Planning geeignet?
Frage: Für wen ist Backward Planning insbesondere interessant?
Dr. Hüren: Für alle, die ein Implantat oder mehrere Implantate benötigen – also für Menschen mit Zahnverlust. Auch, wenn ein in die Jahre gekommener Zahnersatz erneuert werden soll, bietet sich Backward Planning an. So paradox es klingt. Die Rückwärtsplanung ist die vorausschauendste Art der Zahnersatzbehandlung.